„Für eine geistvoll erneuerte Normalität“

„Für eine geistvoll erneuerte Normalität“ -

Gedanken aus dem Hirtenwort der österreichischen Bischöfe zum Pfingstfest 2020*


Der nachfolgende Text ist ein Auszug aus der Zusammenfassung im Rupertusblatt Nr. 22, vom 31. Mai 2020, und soll eine Anregung sein, dem pfingstlichen Geschehen auch im eigenen Leben einen guten Platz zu geben.

Gesegnete Pfingstfeiertage wünscht Ihnen Christina Reichel, Pastoralpraktikantin


Pfingsten ist das Fest des Heiligen Geistes, der zu jeder Zeit Neues schaffen kann. Die verängstigten Jünger wurden durch diesen Geist ermutigt, ihre Isolation zu verlassen. Freimütig haben sie zur Volksmenge über Gottes Wirken gesprochen.


Wir feiern das Fest des Heiligen Geistes. In der aktuellen Phase der Neuausrichtung stehen wir in der Krisenbewältigung an einer Schwelle. Das öffentliche Leben wird schrittweise normalisiert.
Auf der derzeitigen heiklen Wegstrecke der weiteren Krisenbewältigung plädieren wir für eine nüchterne Reflexion des Vergangenen sowie für ein starkes konstruktives Miteinander. Ja, dafür brauchen wir einen neuen Geist! Das pfingstliche Urwunder von Verständigung und Aufbruch ist heute möglich – und nötig.

Die folgenden sieben Paare von Geistesgaben, die wir als Leitmotiv für unser Hirtenwort gewählt haben, empfinden wir als Einladung, Auftrag und Befähigung, eine „erneuerte Normalität“ aktiv mitzugestalten.


Geist der Dankbarkeit und der Demut  
Nichts ist selbstverständlich! Wie verletzlich unser persönliches Leben und unsere Gesellschaft sind, hat uns die Krise deutlich vor Augen geführt.
Der wachsende Geist der Dankbarkeit und Demut kann einen neuen Lebensstil prägen. Wer zu danken beginnt, befreit sich und andere aus dem Teufelskreis von Neid und Gier.


Geist der Versöhnung und der Verbundenheit
Trotz des physischen Abstandhaltens gab es in den letzten Wochen viele Initiativen einer berührenden sozialen Verbundenheit. Diese wertvollen Erfahrungen dürfen wir nicht verlieren.
Der Heilige Geist stellt sich mit Vorliebe als Anwalt und Tröster an die Seite der Geängstigten und Geschwächten.
Aufgrund des häuslichen Naheseins kam es aber auch zu Konflikten und Belastungen. Deshalb braucht es jetzt dort und da Schritte der Versöhnung.
Anlässlich der 25-jährigen Mitgliedschaft Österreichs in der Europäischen Union plädieren wir auch für eine erneuerte, über nationale Grenzen hinausgehende Verbundenheit in diesem einzigartigen Zivilisations-und Friedensprojekt.


Geist der Aufmerksamkeit und Solidarität
In den vergangenen Wochen haben wir ein Comeback von Solidarität erlebt.
Wir erlebten eine gute Zusammenarbeit zwischen Politik und Sozialpartnerschaft.
Christliche Solidarität ist grenzenlos. Wir Bischöfe unterstützen daher alle Bemühungen, damit Flüchtlinge aus den Elendsquartieren an den Grenzen Europas auch in Österreich aufgenommen werden.


Geist der Wertschätzung und Lernbereitschaft
Mit Wertschätzung wurden bereits vielfach Frauen und Männer in den bislang unterbewerteten Berufsgruppen wie Handel, Dienstleistung und Pflege erwähnt. Viele dieser systemrelevanten Berufe werden von Frauen ausgeführt. Längst ist eine angemessene, also wertschätzende Entlohnung notwendig.
Wir sind uns auch des Werts von unternehmerisch tätigen Menschen bewusst.
Eine lebendige Demokratie, wechselseitiger Respekt und eine menschliche Fehlerkultur ermöglichen Zukunft.


Geist der Achtsamkeit und Entschlossenheit
Ohne Umkehr gibt es keine geistvoll „erneuerte Normalität“. Wir können gemeinsam mit Achtsamkeit und Entschlossenheit eine finale Erschöpfung unseres Planeten Erde verhindern.
Ein bloßes Ankurbeln des Konsums darf uns nicht mehr genügen. Es treibt uns sonst wieder in jenes unersättliche Immermehr, das uns selbst und die Natur krank gemacht hat.


Geist der Lebensfreude und Geduld
Wahre Freude stellt sich dann ein, wenn Menschen nicht mehr in der Sorge um ihre eigenen Befindlichkeiten stecken bleiben, sondern ihren Blick und ihr Herz auf berechtigte Bedürfnisse ihrer Nächsten richten. Sie bewahrt vor Verbitterung und Ungeduld und inspiriert zu kreativen Lösungsansätzen.


Geist des Vertrauens und der Zuversicht
„Mit Gott geht das Leben nie zugrunde!“, erinnert der Papst am menschenleeren Petersplatz kurz vor Ostern. Christlicher Glaube wischt die Probleme nicht einfach weg. Er ist vielmehr eine Trotzdem-Kraft, die es zur Bewältigung krisenhafter Situationen braucht.
Ohne Vertrauen geht der Mensch schlichtweg zugrunde. Die menschliche Seele braucht Nahrung. Das geschieht durch einen herzhaft gelebten Glauben, durch Sonntagskultur und vieles mehr.


Wir vertrauen darauf, dass uns mit Hilfe des Heiligen Geistes eine „geistvoll erneuerte Normalität“ gelingen wird.

Die katholischen Bischöfe Österreichs



*Den ungekürzten Text des pfingstlichen Hirtenworts der Bischöfe Österreichs finden Sie auf der Homepage der Erzdiözese (<link http: www.kirchen.net _blank>www.kirchen.net).