Zur Frühzeit des Reformators Johannes Pfeffinger in Saalfelden und sein weiterer Lebensweg

von Arthur Schwaiger

In einem Standardwerk zur Geschichte der Reformation in Deutschland aus dem Jahr 1972 findet sich in der Liste Reformatoren in den Territorien und Städten auch der Name von Johann Pfeffinger, dessen Lebensgeschichte auch mit Saalfelden verbunden ist.

Über die Kindheit und Jugendzeit des in Wasserburg am Inn (Landkreis Rosenheim) am 27. Dezember 1493 geborenen Johannes Pfeffinger gibt es nur unsichere Angaben. Man weiß, dass er in der aufstrebenden Bergbaustadt Annaberg in Sachsen (heute Große Kreisstadt Annaberg-Buchholz im Erzgebirge) die Schule besuchte, wohin sein Vater mit den Seinen gezogen war. Jedenfalls war er ein ausgezeichneter Schüler, den es dann zur Theologie zog. Über ein frühes universitäres Theologiestudium kann von ihm nicht berichtet werden, doch im Hinblick auf seinen weiteren Lebensweg kann man es annehmen.

Pfeffinger wandte sich nach Salzburg. Dort bekam er nach eigenem Nachweis im Jahr 1515, also noch in der Zeit von Erzbischof Leonhard von Keutschach (1495-1519), die in früheren Zeiten erteilten Niederen Weihen (1972 von Papst Paul VI. abgeschafft), umfassend die Ämter des Akolyten, des Ostiariers, des Lektors und des Exorzisten. Seit wann genau Pfeffinger dem Klerikerstand angehörte, ist nicht belegt. Das Jahr 1518 wurde für ihn überaus entscheidend – er empfing die Höheren Weihen zum Subdiakon, zum Diakon und zum Priester. In Pfeffingers Erinnerungen wird Salzburg mit seinem Weihebischoff verbunden. Die Weihen wurden ihm im Salzburger Dom vom Chiemseer Bischof Berthold Pürstinger (1508-1526, †1543) gespendet.

Noch im Jahr 1518 erlangte er eine Stelle als Kaplan und Prediger an der Pfarrkirche St. Nikolaus in Bad Reichenhall, die zum dortigen Augustiner Chorherrenstift St. Zeno gehörte. Nur kurze Zeit blieb der Neupriester in der bayerischen Salzstadt, denn schon 1519 finden wir Pfeffinger in S a a l f e l d e n (Salfeld ins Pintzgaw). Hier zeigte er seine Entfaltung auf der Kanzel. Die Predigt mit Auslegung des Evangeliums wird im Spätmittelalter zum zweiten Höhepunkt einer Messfeier, und es gab nicht nur in den Städten, sondern auch in manchen Märkten an den Pfarrkirchen Geistliche, die ausdrücklich auch als Prediger benannt werden. In Saalfelden war Pfeffinger aber vorrangig als Hilfspriester eingesetzt und dabei auch in den Filialkirchen Leogang, Maria Alm, Dienten und Gerling tätig.

Nach zwei Jahren in der Pinzgauer Gebirgsluft erlangte Pfeffinger 1521 das Amt des Stiftspredigers an der Domkirche von Passau. Die Berufung geschah durch den Administrator des Bistums, Herzog Ernst von Bayern (1517-1540/41), und das Domkapitel. Man kann annehmen, dass ihn Bischof Berthold Pürstinger gefördert hat und dass sich auch der Passauer Domherr Wolfhard von Ramseiden (+ 1530) für Pfeffinger eingesetzt hat. Dieser war in der Dreiflüssestadt durch seine Predigten bald sehr bekannt und beim Kirchenvolk recht beliebt. An der Donau beschäftigte er sich vermehrt mit der Bibel und den inzwischen erschienenen Schriften und Drucken von Martin Luther. Pfeffingers Ansehen war einigen geistlichen Mitbrüdern ein Dorn im Auge, und manche seiner Predigten wurden aus theologischen Gründen kritisiert. Um nicht öffentlich belangt zu werden, flüchtete er, und sein Weg führte ihn ins Kurfürstentum Sachsen, nach Wittenberg an der Elbe (heute im Bundesland Sachsen-Anhalt).

In der neuen Umgebung, besonders von Martin Luther (1483-1546) und Philipp Melanchthon (1497-1560), dem Freund und Hauptmitarbeiter Luthers, und Johannes Bugenhagen (1485-1558), dem Stadtpfarrer von Wittenberg, wurde er freundlich aufgenommen, sodass er 1524 an der Theologischen Fakultät der erst 1502 gegründeten Universität zu Wittenberg dem Studium nachgehen konnte. Pfeffingers erste Stelle als Pfarrer erhielt er über den Kurfürsten Johann den Beständigen (1525-1532), den Nachfolger von Kurfürst Friedrich dem Weisen (1485-1525), dem Beschützer und Förderer von Luther, 1527 in Sonnenwald in der Niederlausitz (heute im Freistaat Sachsen), wo er mit Elisabeth Kühlstein (+ 1560) in den Ehestand trat. Aufgrund von Bestrebungen des zuständigen katholischen Meißner Bischofs Johann VII. von Schleinitz (1518-1537) konnte er sich dort nicht lange halten und kam dann 1530 über den Kurfürsten als Pfarrer in den einstigen Wallfahrtsort und in die 1525 aufgelöste Niederlassung des Antoniterordens, Kloster Eicha (heute Ortsteil der Stadt Naunhof, Landkreis Leipzig), nur 18 km von Leipzig entfernt. Diese bekannte Buch- und Universitätsstadt gehörte 1530 nicht zum Kurfürstentum Sachsen, sondern zum Herzogtum Sachsen, dessen Landesfürst, Georg der Bärtige (1500-1539), der katholischen Kirche treu geblieben war und zu den Gegnern Luthers gehörte. Aus Sicherheitsgründen wurde Pfeffinger bereits 1532 das Pfarramt von Belgern (heute Landkreis Nordsachsen) übertragen.

Bald darauf änderten sich die konfessionellen Verhältnisse im Herzogtum Sachsen, denn der Nachfolger von Herzog Georg, sein Bruder Heinrich V. der Fromme (1539-1541), führte im gesamten Land die Reformation ein, so auch offiziell in der Stadt Leipzig, und zwar sofort im Jahr 1539 u. a. mit einer Predigt von Martin Luther. Nun musste auch in Leipzig, wo noch Teile des Stadtrates, des Bürgertums und der Universität dem katholischen Glauben anhingen, der Protestantismus gesichert werden, und so übernahm Johannes Pfeffinger nach Bedenken und auf Befehl von Herzog Heinrich endgültig 1540 das Pfarramt an der Nikolaikirche, der ältesten Pfarrkirche von Leipzig, die von 1513 bis 1525 einen gotischen Umbau erfuhr und 1525 vom Merseburger Bischof Adolf von Anhalt-Zerbst (1514-1526) konsekriert worden war. Zugleich wurde Pfeffinger zum Superintendenten bestellt, womit ein kirchliches Leitungs- und Aufsichtsamt verbunden war.

Nikolaikirche Leipzig – aus einer Stadtansicht von 1615



Als erfahrener Seelsorger in Jahren zwischen Alt- und Neuordung machte sich Pfeffinger keine Illusionen. Die ersten Jahre in Leipzig waren für ihn belastend: Denn ja nichts schwerers zugehet, den alten ehrlichen leuten …ausreden und entnemen die Religion, den Glauben und Gottesdienst, in welchen sie geboren, von Kindheit auff unterrichtet, gentzlich erzogen und darin bekrefftiget, In welchen sie auch wissen, das ire Vorfahren gelebet und darin gestorben. Dieser hat es nu gehabt nicht ein geringe anzahl….So hat doch der meiste und fürnembste theil feste gehalten uber iren alten wahn und meinung. Solchen nu ein ander Predigt fürtragen und auff einen andern weg zubringen, das ist so schwer.

Nach Reformen in der Universität erwarb Pfeffinger 1543 das Doktorat in Theologie und erhielt 1544 eine Professur. In weiteren Jahren wurde er laufend verschiedenen theologischen Verhandlungen beigezogen.

Spätgotische Kanzel in der Leipziger Nikolaikirche (Foto: Nikolaikirche Leipzig – mit freundl. Genehmigung von Pfr. Bernhard Stief)



Trotz der politischen Schachzüge von Herzog Moritz (1541-1553), seit 1548 auch Kurfürst, verhielt sich Pfeffinger loyal zu seinem Landesherrn, ebenso zum Nachfolger, seinem Bruder Kurfürst August I. (1553-1586). Nach Luthers Tod 1546 kam es unter den protestantischen Theologen in Sachsen zu verschiedenen Lehrstreitigkeiten, an denen auch Pfeffinger beteiligt war und mündlich sowie schriftlich für Melanchthons Positionen eintrat. Dabei wurde er auch mehrmals stark angegriffen.

J. Pfeffinger – nach einem Kupferstich von 1595/1597

 



Im Jahr 1568 beging er in Dankbarkeit das 50jährige Jubiläum seiner ersten heiligen Messe, denn Pfeffinger war auch, wie die anderen Reformatoren, überzeugt, „der einen katholische Kirche anzugehören, deren Lehre sie gereinigt hätten.“ Die letzte Predigt hielt er im Advent 1572 in seiner Pfarrkirche, und sein Lebenslicht erlosch am 1. Jänner 1573. Am 3. Jänner 1573 wurde er im Chor der Leipziger Nikolaikirche begraben.

Von Johannes Pfeffinger gibt es Erinnerungen an seine Zeit In Saalfelden. Sie war für ihn nicht einfach und brachte manche Beschwerden. Bei den heiligen Messen musste vor der Predigt das Evangelium in deutscher Sprache den Gläubigen frei „aufgesagt“ werden, falls kein entsprechendes Buch vorhanden war. Pfeffinger bemühte sich um inhaltsgerechte Predigten, nahm von den zeitgenössischen Predigtformen Abstand und lehnte Predigten in Form von philosophischen Streitgesprächen ab. Dazu wird von ihm überliefert:

Uber die mühe aber und arbeit, die er allda ausgestanden, hat er offt geklaget und gesaget, das sie Roßsarbeit zuvorgleichen were. Denn für allen dingen haben sie müssen die Lectiones Evangelii auswendig lernen und von der Cantzel sagen. Darnach haben sie nichts richtiges gehabt, das sie in Predigten folgeten. Darumb es grosse mühe und viel arbeit gekostet, eine Predigt zumachen, Sonderlich dem, der nützliche, tröstliche und heilsame lehme lehren hat wollen führen, und nicht allein die vergeblichen gedicht, Mehrlein und trewme der Münche: Sondern auch die verwirten Disputationes der Scholasticorum meiden.

Klagen kamen von Pfeffinger auch über die geistlichen Verpflichtungen in Saalfelden. Als Hilfspriester war er vom Pfarrer angestellt und musste von ihm auch versorgt werden, und daran haperte es oft. Die Saalfeldner Filialkirchen in Maria Alm, Dienten und Leogang hatten zurzeit Pfeffingers bereits gestiftete Messen an bestimmten Werk- oder Festtagen, aber es waren noch keine Priester dauernd am Ort. Selbständige Seelsorgsstationen wurden die genannten Orte erst etwas später durch den Einsatz von Bischof Berthold Pürstinger, so Dienten 1536, Maria Alm 1539 und Leogang um 1540. Die Zelebration zusätzlicher Messen in der Pfarrkirche und die seelsorgliche Versorgung der Filialen zählten zu den Hauptaufgaben der Hilfspriester. Der Weg zu Pferd war nicht immer einfach – bei jedem Wetter und zu jeder Jahreszeit. So war mitten im Winter ein Ritt nach Dienten und zurück auch mit Gefahren verbunden. Es heißt zu diesen Beschwerlichkeiten:

Und wenn sie das Ampt in der Hauptkirchen mit grosser arbeit verrichtet, so haben sie allererst die Filial mit hunger und grosser mattigkeit müssen belauffen. Und je heiliger zeit gewesen, je schwerer inen ir Ampt worden. Dadurch er aber gleich ist geübet und zu solcher last der mühe und arbeit, welche er sein leben lang getragen, fest und hart gemacht, auff das er desto steiffer treten und schefftiger sein kundte, damit viel einkommens von im zugewarten were, wie von einem getrewen Lehrer und Regenten, in gleichnis weise eines Ochsens Salomon saget Proverb. 14.


Anmerkung zu Pfeffingers Zitat aus dem Alten Testament:
Lutherbibel (Textfassung 1912), Die Sprüche Salomos, 14. Kapitel, Vers 4:
Wo nicht Ochsen sind, da ist die Krippe rein; aber wo der Ochse geschäftig ist, da ist viel Einkommen.
Vgl. dazu die Einheitsübersetzung 2016, Sprichwörter, 14. Kapitel, Vers 4:
Wo keine Rinder sind, bleibt die Krippe leer, reicher Ertrag kommt durch die Kraft des Stieres.